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Kinder kriegen trotz Klimakrise

Kann man heute noch Kinder in die Welt setzen? Eine Frage, die ich mir schon sehr lange stelle. Vor allem vor der Geburt unseres Sohnes habe ich diesbezüglich mit mir gerungen. Und damit bin ich scheinbar nicht alleine. Laut einer Umfrage ist sich jede*r Vierte zwischen 25 und 34 Jahren unsicher, ob er oder sie Kinder vor dem Hintergrund der sich stetig verschärfenden Klimakrise kriegen soll. (Quelle: ARD/BR puls)

Dabei sind zwei Aspekte zu betrachten. Erstens schaffe ich mit meinem Kind oder meinen Kindern weitere Individuen, die die planetaren Grenzen unserer Erde mit ihrem ökologischen Fußabdruck belasten werden und zweitens muss ich mich fragen, ob ich mein Kind oder meine Kinder den Lebensbedingungen auf unserer Erde aussetzen möchte. 

In meinen Überlegungen spielte letzteres die größere Rolle und führte mich zu der weiteren Frage:

Ist es egoistisch, noch Kinder zu bekommen?

ICH habe jetzt den Wunsch, eine Familie zu gründen. ICH möchte mir den Wunsch erfüllen Mama zu sein. Denn ich will ja schließlich wissen, wie sich das anfühlt, wie die Liebe mein Herz vereinnahmt und was das Wesen, das aus mir entspringt, für ein Typ wird. Machen wir uns nichts vor, die Gründe für ein Kind sind zum größten Teil egoistischer Natur.

Außer acht gelassen werden dabei Fragen wie: In welcher Welt muss mein Kind groß werden? Welche Folgen hat der Klimawandel für unsere Kinder? Haben unsere Kinder noch eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten? Wie sieht die Welt in fünfzig Jahren aus?

Die Zukunft ist ungewiss, was jedoch gewiss ist, ist, dass wir viel zu wenig unternehmen, um die Klimakrise wirklich in den Griff zu bekommen. Das alles ist uns bewusst und wissenschaftlich mehrfach belegt. Und dennoch bekommen wir weiter Kinder. Auch ich, als wirklich nachhaltig lebende Person, die sich viele Gedanken darüber macht, habe mich für ein Kind entschieden. War das egoistisch? Es gibt einige Frauen, die sich aufgrund der Klimakrise bewusst dagegen entscheiden. 

Sollen wir in den Birthstrike gehen? 

Diese Bewegung gibt es tatsächlich. In der “No Future No Children”-Bewegung, die auch bekannt ist als “Birthstrike”, engagieren sich Menschen, die sich aufgrund der Klimakrise bewusst gegen das Kinderkriegen entscheiden. Die zentrale Idee ist, dass die Welt bereits überbevölkert ist und zusätzliche Kinder die Umweltbelastung weiter verschärfen würden. Mit dem Verzicht auf Kinder wollen sie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten  und gleichzeitig gegen unzureichende politische Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels protestieren.

Ich finde den Ansatz nachvollziehbar und finde es gut, dass die Bewegung Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt. Rund 3.000 verweigernde Eltern gehören der internationalen Gruppe an. Nach ihnen besteht der größtmögliche individuelle Beitrag, den ich zum Umweltschutz leisten kann, darin, kein Kind zu bekommen. Allerdings berufen sie sich auch auf eine Studie, die fragwürdige Daten heranzieht. So proklamiert die Studiengruppe einen jährlichen CO2-Fußabdruck von 58.000t CO2 pro neugeborenen Kind, rechnet dabei aber unter anderem auch die Emissionen der folgenden Generationen bis 2400 ein. Der Co2-Wert wird für mich vor diesem Hintergrund unglaubwürdig.

Vor dem Hintergrund der möglicherweise überschrittenen Kipppunkte unserer planetaren Grenzen und den Folgen daraus für unsere Kinder kann ich den Wunsch nach einem Birthstrike jedoch einhundert Prozent verstehen. Denn…

Wie sieht unsere Welt 2050 aus?

Wenn wir es nicht schaffen die Erderwärmung auf unter 2 °C zu halten schmilzt das Grönlandeis, der Meeresspiegel steigt um einen halben Meter, Küstenstädte werden regelmäßig überschwemmt, manche Inseln verschwinden, Dürren und Gerölllawinen werden zur Normalität, Flüsse können größtenteils nicht mehr befahren werden. das sind nur einige Aspekte, die uns in Deutschland treffen könnten. Für ein ausführliches Worst Case Szenario schaut gern mal in die ARD-Reportage #wetterextrem.

Insgesamt wäre die Welt im Jahr 2050 im schlimmsten Fall ein Ort extremer Ungleichheit, Umweltzerstörung und sozialer Unruhen. Es ist daher entscheidend, dass wir jetzt handeln, um diese düstere Zukunft zu vermeiden und nachhaltige Lösungen zu finden. Aber ist die Antwort darauf, keine Kinder mehr zu bekommen? 

Kinder kriegen trotz Klimakrise? Ja

Es braucht jetzt eine neue Generation, die die Herausforderungen der Klimakrise in die Hand nimmt. Was mir hier wirklich Hoffnung macht, ist, dass unsere Kids die erste Generation sein werden, die mit einem neuen Mindset aufwächst. Von Geburt an sind sie in eine Welt gestolpert, in der das Bewusstsein für die Klimakrise wenigstens Gehör findet, auch wenn die Fakten bereits seit mehr als 60 Jahren bekannt sind. Auch die Auswirkungen des Klimawandels sind inzwischen unübersehbar, sodass unsere Kinder eine viel größere Chance haben, hier mit Mehrheiten ins Leben zu starten, die wirklich etwas verändern wollen. Man sieht es bereits an den vielen neuen Studiengängen und Ausbildungsberufen, von denen wir, geschweige denn unsere Eltern nur Träumen konnten. Bereits unsere Generation ist um ein vielfaches ernährungsbewusster als es unsere Eltern waren. Im Bereich Bioessen, weniger Fleisch und eine Reduzierung der Milchprodukte sowie von Eiern vollzieht sich langsam aber sicher eine Trendumkehr. Und so halte ich es auch bei meinem Kleinen. Statt Milch bekommt er Hafermilch ins Müsli, Sojadrink in die Pfannkuchen und Pflanzenmargarine aufs Brot. Er bekommt einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln quasi in die Wiege gelegt.

Das sind die besten Voraussetzungen aus unseren Kids neue, kluge, engagierte Menschen zu machen, die umdenken und im besten Fall das Ruder vielleicht sogar noch rumgerissen bekommen. 

Krisen hat es schon immer gegeben

Ein Argument für Kinder trotz der Klimakrise, das mir in Diskussionen dazu immer wieder begegnet ist, dass es Krisen immer schon gegeben habe. Seien es die ersten beiden Weltkriege oder die atomare Bedrohung in den 1960er Jahren. Der Mensch ist sich selbst das größte Risiko und so ist eine Welt mit Menschen immer schon eine Welt der Risiken und Gefahren. Das Argument kann ich nachvollziehen, gewichte die Klima- und Biodiversitätskrisen jedoch ungleich höher. Die gesamte Erde steht auf der Kippe, bzw. unsere Lebensgrundlagen. Wir setzen unsere Kinder also einem sehr viel größeren Risiko der Lebensbedrohung aus. Gerade auch, weil es nicht nur um die Lebensgrundlagen an sich geht, sondern auch um den Kampf um diese, der sich unausweichlich irgendwann entfachen wird.

Aber will ich aus diesen Gründen einem nicht geborenen Kind die Möglichkeit nehmen, das Gute vom Leben mitzunehmen und selbst das Ruder in die Hand zu nehmen? 

Ja zu einem Kind in der Klimakrise

Mit der Geburt meines Sohnes bin ich all die Risiken für mich, meinen Partner und unser Kind eingegangen. Wir haben jetzt eine empfindliche Achillesverse am Hals. Der Kleine lebt in einer Welt mit Lebensbedingungen, die fantastisch und voller Chancen für ein tolles Leben sind und die gleichzeitig noch nie so fragil waren. Je länger ich darüber nachdenke, sehe ich in der Thematik einen weiteren bestärkenden Grund, es bei einem Kind zu belassen. Das ist keineswegs der ausschlaggebende Punkt, unsere Gründe für nur ein Kind habe ich in meinen anderen Beiträgen ja bereits ausgiebig erläutert. Aber die Fakten, dass ich mit nur einem Kind der Überbevölkerung entgegenwirke, die CO2-Emissionen und weitere Emissionen folgender Generationen verringere, geben der Entscheidung irgendwie nochmal einen Boost.

Jetzt fragt ihr euch sicher, warum ich meinen Kleinen alleine, ohne Geschwister, in dieser Misere “Zukunft Klimakrise” lassen möchte. Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Muss mein Junge da später alleine durch? Und ich kam zu dem Schluss, dass nein. Ich habe das Vertrauen, dass mein Sohn sich mit einem oder einer Lebenspartner*in ein gutes Leben aufbauen und ein gefestigtes soziales Leben aufbauen wird. Viel herausfordernder wird für ihn später die gleiche Frage, die uns jetzt schon umtreibt. Auch er wird sich fragen, soll ich ein Kind in diese Welt setzen? Ich habe wenig Hoffnung, dass seine Antwort in dreißig Jahren positiv ausfallen wird.  

Ich denke, unsere Kinder werden sich irgendwie noch einigermaßen durch die klimatischen und geopolitischen Herausforderungen bewegen können. Ich bin aber Pessimistisch, dass unsere Enkel noch eine lebenswerte Erde vorfinden werden.

Wie seht ihr das? Kennt ihr meine Gedanken?

Zum Thema habe ich auch eine Podcast-Folge aufgenommen. Hör hier gerne mal rein:

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