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Interview: Ein Kind auch rückblickend die richtige Entscheidung

Ute ist meine Tante und auch Einkindmama. Sie ist heute 67 und ihr Sohn Max 32 Jahre alt. Für meinen Podcast habe mich mit ihr darüber unterhalten, warum sie Einzelkind-Mama ist und ob sie vielleicht lieber mehrere Kinder gehabt hätte. Hier die schriftliche Version des Interviews für euch.

Max und meine Tante in seinen frühen Teeniejahren auf dem Oktoberfest
Max und meine Tante in seinen frühen Teeniejahren auf dem Oktoberfest

Wie war das damals für euch? War für euch klar, dass ihr nur ein Kind haben wollt?

Nachdem ich aus einer Familie komme mit drei Kindern und Christof, mein Mann, der hat vier Geschwister, war es für uns eigentlich der Wunsch, dass wir zwei Kinder haben. Wir wohnten damals schon in München und haben gesagt, zwei Kinder wäre doch schön.

Und dann war es so, dass es mit dem ersten Kind nicht direkt geklappt hat.

Ja, ich hatte mit 22 Jahren einen schlimmen Autounfall, aber es ist alles gut geheilt und ich fühlte mich dann auch wieder gut. Als wir dann geheiratet haben, war Christoph noch mitten im Zweitstudium und da passte ein Kind nicht so direkt rein. Als wir dann aber gedacht haben, so, jetzt wäre es mal schön, wenn wir ein Kind bekommen würden, hat es leider nicht geklappt. Nach längeren Versuchen haben wir uns dann für eine Insemination entschieden, es hat aber leider beim ersten Mal nicht funktioniert. Dafür aber beim zweiten Versuch. Und siehe da, ich war schwanger und wir waren sehr, sehr happy.

Irgendwann musste ich dann leider liegen, weil der Muttermund drohte sich zu öffnen. Das war alles nicht so einfach. Was dann aber ganz schlimm war, ich hatte eine Geburt in der vierunddreißigsten Woche. Der Max hat nur 2.200 Gramm gewogen und musste eine Nacht beatmet werden. Er war wirklich sehr schwach und bekam dann auch noch eine Gelbsucht. Zu alledem wurde er dann auch noch aus der Klinik, in der ich war, in eine andere Klinik verlegt. Dann lag er für gut sechs Wochen in einem besonderen Kinderkrankenhaus, wo er dann auch rund die Uhr betreut wurde und ich ihn leider nur zu bestimmten Zeiten besuchen durfte.

Wir haben uns also sehr lange viele, viele Sorgen um die Gesundheit unseres Kindes gemacht. Und wir hatten ein großes Glück, dass Max relativ schnell zu einem propperen Kerlchen wurde.

Aber damit war für mich klar, ich möchte kein Kind mehr. Uns war die Gefahr, dass dem neuen Kind dann wieder was passieren würde oder die Schwangerschaft nicht gut verlaufen würde zu groß. Da hab ich mir gesagt, dann haben wir halt eben nur ein Kind und sind glücklich, weil es ein absolutes Wunschkind war.

Die Gedanken kenne ich, dass man das Schicksal nicht nochmal neu herausfordern will. Da hätte ich auch total Respekt vor, weil bei uns lief im Gegensatz zu euch alles echt super. Und ich hätte Schiss, dass es beim nächsten nicht so ist.

Man muss zwar manchmal, glaube ich, ein bisschen vertrauen haben, aber das da war mir einfach zu viel.

Also war wirklich direkt für euch klar, es bleibt bei einem.

Ja, weil die Freude war zwar wirklich groß und wir waren auch dankbar, dass das so schnell ging, aber dann nochmal sowas durchzumachen und ein Kind eventuell wieder so einem Stress auszusetzen…. Da habe ich gesagt nee, nur damit ich sagen kann, ich habe zwei Kinder. Ich kann ja auch meine Liebe einem Kind geben.

Hattest du denn dann manchmal trotzdem Zweifel an der Entscheidung. Wenn du vielleicht Freundinnen gesehen hast, die zwei haben oder deine zwei Schwestern haben ja beide zwei Kinder. Hat das was mit dir gemacht? Oder wart ihr da so richtig safe mit?

Nee, das war unsere feste Entscheidung und wir waren auch so glücklich. Und ich kam nach Hause und war wie verrückt nach meinem Kind. Ich habe einfach nichts vermisst. Ich bin immer noch der Meinung, es war gut so, wie wir entschieden haben.

Also habt ihr nie irgendwie rückblickend gedacht, hätten wir doch besser zwei gehabt! Was waren für dich oder sind für dich die größten Vorteile am Einzelkind haben, aus Sicht der Mama?

Ja, du kannst halt noch viel machen, wenn du einen Job nebenbei hast. Du bist natürlich bei einem Kind da nicht so gestresst. Aber klar, auch ein Kind fordert dich. Der hat sich manchmal in der U-Bahn einfach auf den Boden geschmissen und hat dann da gelegen. Aber ich musste dann nicht schauen, was mache ich gerade mit dem anderen Kind. Sondern ich konnte dann hin und habe ihn in den Arm genommen oder wir haben getanzt oder irgendwas. Ich muss einfach sagen, für mich war es toll. Und ich denke auch, dass er nichts vermisst hat. Man kann jetzt nicht sagen, das ist der pure Egoismus von mir gewesen, sondern ich habe in der Zeit, wo ich zu Hause war, immer versucht, andere Kinder da zu haben. Max hat immer Freunde gehabt, der war nie allein. Der saß auch nie allein vor der Klotze oder irgendwie sowas, weil wir immer irgendwas mit ihm gemacht haben oder seine Freunde da waren.

Und wir sind viel gereist. Bamberg oder auch Flugreisen, weil mit einem Kind geht das ja, den schnallst du an und dann sitzt der da. Oder zum Beispiel Disneyland Paris, das kannst du mit mehreren Kindern nicht machen, da wirst du ja arm.

Wenn du jetzt an später denkst, ich meine, deine Mama geht auf die 90 zu und ihr seid drei Schwestern, die sich kümmern können. Machst du dir manchmal Sorgen um Max, wie es später für ihn sein wird, wenn ihr nicht mehr da seid?

Also erstens mal möchte ich nicht, dass der für uns da sein muss, sondern ich denke, die Verpflichtung gibt es eigentlich gar nicht, dass du dich als Kind um deine Eltern kümmern musst. Das machst du automatisch, wenn du ein positives Verhältnis hast. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Aber der Max hat mittlerweile eine ganz liebe Frau und zwei Kinder und er soll sein Leben leben. Und ich weiß, der wird uns nicht im Stich lassen, aber für mich wäre es der Horror, wenn der sich um Christof oder mich kümmern müsste, wenn wir alt und gebrechlich sind. Ich will das auf keinen Fall, weil das Leben geht so schnell vorbei und der soll sein Leben leben.

Was mich auch umtreibt, ist, dass die Kinder dann, wenn man nicht mehr da ist, alleine sind. Da steht man irgendwie als Vollwaise da, auch wenn man natürlich im Idealfall seine selbst gegründete Kernfamilie hat. So wie Max jetzt auch seine Frau und zwei Kinder hat, aber eben niemanden, mit dem er die Trauer später 1:1 teilen kann.

Ganz ehrlich, ich habe meine Eltern ja wirklich geliebt und auch meine Schwiegereltern. Aber ab dem Zeitpunkt, ab dem ich ein Kind hatte und wir eine Familie waren, war das für mich wichtiger als das drumherum. Dann würde ich sagen, schade, traurig, aber das ist das Leben.

Ich war ja auch für meine Eltern immer noch das Kind, obwohl ich gar kein Kind mehr war. Das ging mir dann auch auf die Nerven. Und ich möchte nicht, dass der Max das so empfinden muss, sondern ich finde das ganz toll, wenn man sein Kind als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sieht und nicht sagt, der ist ja noch mein Kleiner. Weil der ist nicht mein Kleiner.

Max hat sich gedacht, nö, ich kriege nicht nur ein Einzelkind, ich will mehrere Kinder. Wie war das für dich?

Das fühlt sich toll an. Ich glaube, als Oma spinnt man ein bisschen. Also Sachen, die man beim Kind nie akzeptiert hätte gehen da einfach durch. Es gibt nichts schöneres, als wenn sich so kleine Kinderärmchen um dich schlingen und dir einen Kuss geben oder irgendwas zu dir sagen. Man lebt das viel leichter als die eigenen Kinder. Du kannst es einfach genießen.

Ja, und man kann sie wieder abgeben. Da ist es egal, ob es ein, zwei, drei oder vier Enkelkinder sind, weil du hast nicht twenty four seven Dienst.

Und ich glaube, wenn es Stress werden würde, dann würde ich sagen, so, jetzt müssen wir uns mal was überlegen. Ich pack das nicht mehr, das ist mir zu viel oder so. Aber bis jetzt im Gegenteil, die können von mir aus jeden Tag hier sein.

Wenn ich andere Eltern mit einem Kind sehe, freue ich mich total und denke mir, cool, das ist eine Verbündete von mir, die hat auch nur ein Kind. Und wenn dann irgendwie hinterher noch ein zweites getappelt kommt mit dem Papa, dann habe ich so ein Gefühl von Enttäuschung. Kennst du das Gefühl von damals? Wenn du beispielsweise mit Max durch den englischen Garten gegangen bist und da Eltern mit zwei Kindern gesehen hast.

Nein, wirklich nicht. Weil es ging alles so gut, es war unser Leben. Ich konnte arbeiten ohne Stress. Der Christof war ja viel weg, der war ja in der Zeit ganz viel im Ausland unterwegs und zwar manchmal eine Woche, manchmal sogar zwei Wochen. Und dann habe ich gedacht, Gott sei Dank hast nur das eine Kind, um das du dich drum kümmern musst und dem du erklären musst, der Papa kommt bald wieder.

Kamen manchmal Fragen nach einem zweiten Kind?

Zum Glück überhaupt nicht. Ich war damals meinen Eltern und Schwiegereltern dankbar, dass sie uns am Anfang nie gefragt haben, wann kriegt ihr denn endlich ein Kind? Und als wir dann das eine hatten, hat keiner gesagt, wann kommt denn das zweite. Weil die unsere Geschichte mit Max ja noch präsent hatten. Das wünscht man keinem so ungefähr. Und der Max hat es super weggesteckt. Da hat keiner gesagt, das Ganze vielleicht noch mal oder so.

Ich war halt auch nicht mehr zuversichtlich, weil ich gedacht habe, bei uns ist so viel Scheiß passiert. Und dann war ich noch beleidigt. Erst habe ich den Unfall und dann noch so ein Zirkus. Dann habe ich gesagt, dann lassen wir es halt.

Wart ihr euch da einig als Paar?

Ja, da waren wir uns einig. Und bei uns war auch so immer viel los. Der Max hat immer irgendjemand mitgebracht. Es gab so einen Kind, der kam sogar nach der Schule erstmal mit zu uns, weil er nicht heim wollte. Max hat immer Kumpels da gehabt.

Habt ihr das bewusst gesteuert, weil ihr wusstet, er hat keine Geschwister?

Schon ein bisschen. Ich habe versucht mit ihm auch ins Kinderturnen zu gehen oder so, weil ich gedacht habe, er ist ja allein zu Hause, vielleicht will er ja auch mal was anderes machen und einfach mal ein bisschen mit anderen Kindern zusammen sein.

Hat Max denn mal nach Geschwistern gefragt?

Tatsächlich nicht. Das hat mich auch überrascht. Weil sowas ist natürlich schön, wenn die zusammen im Zimmer liegen und quatschen können. Aber dann hatte Max eben immer viele Freunde da.

Kurz noch zur Beziehung von dir und Christof. Hat das Kind die Beziehung belastet? Habt ihr da was gemerkt?

Nein, im Gegenteil, das war ja ein Wunsch von uns, dass wir ein Kind hatten. Das fehlte quasi noch zu unserem Glück. Und das Schöne daran war, wir hatten uns ziemlich früh schon um einen Babysitter bemüht, auch für abends. Die kam dann abends z.B. wenn Christof und ich ins Kino gehen wollten oder essen. Weil ich habe immer gesagt, auch zu anderen Freundinnen, mit meinem Mann will ich auch später noch zusammen sein und mein Kind geht irgendwann aus dem Haus. Und wir sind auch mal ohne ihn in Urlaub gefahren, wenn die Oma da war.

Und die Beziehung an sich? Stichwörter Müdigkeit, Nerven blank, Genörgel, Grenzen austesten und so weiter. Oder war das bei euch kein Thema?

Das war weniger ein Thema, weil der Christof war ja auch öfter mal weg, das war dann auch mal angenehm und ich war nie gestresst. Der Max hat mich nicht gestresst. Ich weiß nicht wieso, aber morgens bin ich in meinen Job und fand das gut. Und dann habe ich mich auf ihn gefreut. Der war kein Stress.

Wie würde dein Abschlussstatement lauten?

Obwohl wir aus Familien stammen, die mehrere Kinder haben, waren Geschwisterkinder bei uns leider nicht möglich. Und deshalb haben wir einfach gesagt, das ist jetzt so. Und dann konnten wir unsere ganze Liebe dem einen Kind schenken. Und die haben wir auch so wiederbekommen, dass das einfach das volle Glück war, auch mit nur einem Kind.

Ja, das kann ich bestätigen. Ihr seid eine ganz tolle Familie – komplett zu dritt!

Das ganze Interview hier auch zum Hören.

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