Vor einigen Jahren hat ein ehemaliger Kollege von mir gesagt, dass seine Beziehung kein weiteres Kind aushalten würde. Ich war gleichzeitig beeindruckt von seiner Ehrlichkeit und erwischte mich bei dem Gedanken seine Beziehung zu seiner Partnerin grundsätzlich in Frage zu stellen. Nach dem Motto, die Beziehung scheint aber nicht stabil, wenn sie keine Kinder aushält. Naja, was soll ich sagen. Shame on me. Nun, Jahre später, selbst Mami, weiß ich genau, wovon er sprach. Auch ich stand inzwischen vor der Frage, ob unsere Beziehung noch ein weiteres Kind aushält.
Ich hoffe, meinen ehemaligen Kollegen noch für meinen Podcast als Gesprächspartner zu gewinnen, um mit ihm gemeinsam nochmal ausführlicher auf seine damalige Situation einzugehen, die sicher viele von euch auch kennen.
Trennung nach dem zweitem Kind
Statistiken zeigen, dass das zweite Kind oft der Knackpunkt ist, der zu einer Trennung führt. Etwas mehr als die Hälfte (50,7 % bzw. rund 69 600) der im Jahr 2022 geschiedenen Ehepaare hatte minderjährige Kinder. Von diesen hatten wiederum 49,1 % ein Kind, 39,7 % zwei und 11,2 % drei oder mehr Kinder. Und das sind nur die Scheidungszahlen, sehr viele Paare, uns eingeschlossen, leben ohne Trauschein zusammen bzw. trennen sich ohne offizielle Scheidung und haben Kinder.
Autonomieverlust als Eltern
Die wohl größte Umstellung, sobald ein Kind ins Leben tritt, ist der Verlust der Selbstbestimmtheit. Damit hat jedes Elternteil zunächst für sich selbst zu kämpfen, die Unzufriedenheit, die dieser Umstand von Zeit zu Zeit mit sich bringt, überträgt sich aber auch ganz schnell auf die Beziehung. Als Mama bin ich 24/7 die Bedürfnisse meines Kindes am stillen. Mein Sohn entscheidet, wann ich aufstehe, er bestimmt wann ich abends ins Bett gehen kann, der Urlaub wird nach dem Kleinen ausgerichtet, Ausflüge und die Nachmittagsgestaltung drehen sich meist um Spielplatz, Playdates und Draußenaction. Das ist auch alles in Ordnung so und ich möchte meinem Toddler die bestmögliche Zeit bieten. Nur bleiben dabei leider die eigenen Bedürfnisse größtenteils auf der Strecke. Sogar der Kaffee, als erste Gönnung des Tages, wird meist über den Morgenalltag kalt. Bei soviel Fremdbestimmung kann man schon mal unzufrieden sein und von Zeit zu Zeit eine Minikrise verspüren. Von meinem Partner kommen dann schon manchmal Sätze wie: „Ich bin unglücklich.“ Auch wenn ich das eigentlich einzuordnen weiß, sehe ich es als Kritik und übertrage diese Unzufriedenheit auf mich. Eine schlechte Sichtweise, für ihn, für mich und unsere Beziehung.
Schlafmangel mit Kindern
Gepaart wird das Ganze mit der für mich allergrößten Herausforderung, dem Schlafmangel! Auch ein großer Autonomieverlust. Wie gerne würde ich manchmal einen Mittagsschlaf halten oder morgens länger liegen bleiben. Auch ohne Kinder kennt man das ja schon. Neben der Gemütlichkeit, die hier verloren geht ist der Schlafentzug aber das Härteste. Bin ich nicht ausgeschlafen oder hatte weniger als sieben Stunden Schlaf, ist mein Akku einfach nicht voll. Meine Augen brennen und die Augenringe lassen tief blicken. Meine Lunte ist dann kürzer, ich habe weder mentale Kapazitäten stets bedürfnisorientiert auf mein Kind zu reagieren, geschweige denn rücksichtsvoll auf die Bedürfnisse meines Partners einzugehen. Streits sind also vorprogrammiert und das von beiden Seiten.
Zu wenig Zeit für mich
Kinder fordern mehr Zeit und Kraft ein, als man vorher angenommen hat. Hat man dann ein paar Minuten für sich selbst, wird der eigene Akku wieder aufgeladen. Paarzeit steht hinten an. Ein ungesunder Umgang mit der wertvollen Ressource, zumindest für die Beziehung. Wir merken das immer wieder, ist der Kleine im Bett schreibe ich Blog, arbeite am Podcast, gehe mit Freundinnen etwas essen oder liege nur rum und surfe stupide herum, weil es meiner mentalen Gesundheit gut tut. Nichts Müssen müssen, einfach nur sein! Keine Verantwortung für jemanden haben und auch auf nichts reagieren zu müssen. Und genauso geht es meinem Freund auch, er liebt es für sich zu sein und braucht das zur Wiederherstellung noch mehr als ich. Meist sind wir sogar zu müde noch zusammen zu essen und zu kochen. Es ist dann abends viel bequemer sich nur um sich zu kümmern. Dabei lehren es einen alle Paartherapeuten anders. Tut etwas für eure Beziehung. Nur Nähe schafft Nähe. Wir waren, seit der Kleine auf der Welt ist, nur dreimal auswärts frühstücken und zweimal abends essen. Viel zu selten, und das, obwohl wir jedes Mal gemerkt haben, wie gut es uns tut.
Der Umstand, dass so wenig me-time zur Verfügung steht, führt leider oft dazu, dass wir die Betreuungszeiten, die wir mit unserem Sohn verbringen, aufrechnen und bei nächster Gelegenheit dem anderen an den Kopf werfen. Letztes Wochenende hattest du aber soundsoviel Stunden für dich und morgen kannst du wieder länger schlafen. Ja, aber heute hattest du doch xy Stunden nur für dich und dafür bin ich ja an dem und dem Wochenende soundsolange weg. Der Kampf um die Zeit für sich allein wird damit zum Schlachtfeld für die Beziehung. In der Paartherapie bekommt man hier gegenteilige Ratschläge, einmal entweder alles detailliert notieren. Hier sehe ich aber weiterhin die Gefahr, dass einem die Zeiten dann im nächsten Streit wieder um die Ohren fliegen. Der zweite Ratschlag war, einfach mal in Vorleistung zu gehen. Wenn der Partner merkt, dass der andere ihm im Grunde genommen wohlgesonnen ist und ihm Zeit für sich einräumt, wird dieser beim nächsten Mal auch eher ohne große Diskussion Zeit für den anderen zur Me-time freischaufeln. Eigentlich ganz einfach, theoretisch.
Es wird von Jahr zu Jahr besser
Wir merken ganz klar, dass mit jedem Entwicklungsschritt unseres Kindes die Lage entspannter wird. Der Kleine wird eigenständiger und man kann sich immer besser mit ihm austauschen und interagieren. Jetzt, mit drei Jahren kann er sich schon richtig toll ausdrücken und verständlich machen, die krasse Autonomiephase scheint überstanden und, was mir besonders viel Spaß macht, man kann schon erste Gesellschaftsspiele mit ihm spielen, wie Obstgarten oder Spitz pass auf. Mein Freund geht beispielsweise total im Ballspiel mit dem Kleinen auf. Das heißt, dass die Betreuungszeit entspannter und weniger anstrengend wird und wir als Paar die Betreuungszeit nicht mehr so genau aufrechnen und dem anderen an den Kopf knallen. Wobei ich kein Freund des Worts „Betreuung“ bin. Das klingt wie ein Übel, um das man nicht herumkommt, wie eine Pflicht. Die es ja auch ist, aber dennoch ist es für mich gleichzeitig ein Privileg und die beste Aufgabe der Welt, mit meinem Kind Zeit zu verbringen. Das geht nur eben keine 24 Stunden in Dauerschleife, irgendwann sind die eigenen Kräfte erschöpft.
Was bei uns auch einiges verändert hat, war das Abstillen. Ich war auf einmal nicht mehr Fokusperson Nummer eins und der Kleine brauchte mich auch nicht mehr unbedingt zum Einschlafen. Das hat mir zum einen weitaus mehr Freiheiten und Freizeit gegeben, aber auch mein Partner fühlte sich nicht mehr länger so abgeschirmt und auch hilflos, weil er nicht mehr abhängig von mir bzw. meinen Brüsten war. Das hat tatsächlich unsere Beziehung weiter entspannt. Da wir erst mit drei Jahren abgestillt hatten, konnte diese Entlastung erst vor kurzem greifen.
Hält unsere Beziehung ein zweites Kind aus?
Nach der Erfahrung, was ein Kind für einen selbst und das Paar bedeutet, standen wir dann irgendwann auch vor der Entscheidung ein zweites Kind zu bekommen oder nicht. Und fanden uns dabei genau an der Stelle wieder, an der mein ehemaliger Kollege damals stand. Hält unsere Beziehung ein weiteres Kind aus? Unsere Antwort lautete lange Zeit ganz klar nein, inzwischen denke ich, wir würden das schon hinbekommen. Dazu gern auch nochmal in meinem Blogbeitrag zu den Anzeichen eines Kinderwunschs reinklicken. Der Schein kann aber trügen, da aktuell das immer leichter werdende Leben mit dem kleinen Toddler mehr Spielräume eröffnet und man den Anfangsstress wieder ganz schnell vergisst. Der Körper und der Geist sind schon gewieft!
Doch wir erinnerten uns: Wir hatten in unserer anfänglichen Elternzeit das Wohlwollen füreinander verloren. Aufgrund der anhaltenden Müdigkeit, den blank liegenden Nerven und der mentalen Belastung gerieten die kleinsten Kleinigkeiten oftmals außer Kontrolle und eskalierten zu einem heftigen Streit, der dann jedes Mal Grundsatzdiskussionen auslöste, die uns immer weiter in die Streitspirale zogen. Der Gedanke an eine Trennung war manchmal das einzige Ventil, um mit der Situation klarzukommen. Der Gedanke, dieses Tal nochmal mit einem weiteren Kind zu durchschreiten, hat uns beide abgeschreckt, die Idee eines zweiten Kindes weiter zu verfolgen.
Was ist wichtiger, Beziehung oder Kinderglück?
Ein Kind zu bekommen, setzt eine starke Verbindung und ein großes Vertrauen voraus. Will ich diese wertvolle Beziehung aufs Spiel setzen? Manchmal habe ich mich bei dem Gedanken ertappt, zu denken, dann trennen wir uns eben, dafür haben wir dann aber zwei Kinder. Warum soll ich mich eines Kinderglücks entziehen, nur weil es mit dem Partner nicht harmoniert auf der Linie einer zweiten Elternschaft. Schließlich ist Elternschaft eine wichtige Entscheidung, die den Rest meines Lebens beeinflusst. Zwei Kinder, die mein Leben bereichern und das, wenn es gut geht, für den Rest meines Lebens. Schnell habe ich den Gedanken aber immer wieder verworfen. Was man oftmals aus dem Blick verliert, ist, dass man mit dem Partner zuallererst eine Einheit war. Man sollte sich stets vergegenwärtigen, woher man als Paar kommt. Diese Liebe sollten wir nicht fahrlässig aufs Spiel setzen. Unterm Strich ist und bleibt die Beziehung die Basis des Familienglücks. Und, mit wem verbringt man den Rest seines Lebens? Das ist im Idealfall der Partner. Die Kinder werden flügge und kommen nur noch ab und zu nach Hause. Also haltet fest an eurer Liebe und arbeitet daran.
Hinzu kommt, dass für mich alle Trennungsmodelle unvorstellbar sind. Mein Kind beim Sharing- oder Nest-Modell nur die Hälfte der Zeit sehen zu können und nicht immer da zu sein, zerreißt mir das Herz. Als Mama hätte ich ggf. die Chance das Sorgerecht zu erhalten und mein Kind ständig bei mir zu haben. Dieses Modell finde ich aber höchst unfair den Vätern gegenüber, die sich genauso einbringen möchten und auch die Kinder möchten doch ihren Papa bei sich haben.
Kind als Beziehungsretter – NICHT
Manche kommen auch auf die Idee ein Kind zu bekommen, um die Beziehung zu retten oder den Partner noch enger an sich zu binden. Das ist eine ganz schlechte Idee. Was vor der Elternschaft in einer Beziehung bereits im Argen lag, wird mit Kind in noch heftigerer Weise hervortreten. Was vorher durch emotionale Geduld, stärkere Nerven und dem Fokus nur auf sich kompensiert werden konnte, schlägt einem jetzt mit voller Wucht entgegen. Die mentalen Kapazitäten, um die Bedürfnisse des Partners mitzudenken, schwinden einfach. Empathie und Wohlwollen sind nur noch ein seltener Gast in der Partnerschaft. Das klingt hart, ist auch sicher nicht tagtäglich der Standard, aber im Großen und Ganzen leider schon. Das hätte ich vor der Geburt auch nie so erwartet und es hat mich tatsächlich erschrocken. Wenn man drüber nachdenkt, ist das aber nachvollziehbar.
Beziehungsglück mit „nur“ einem Kind
Zusammenfassend war es bei uns also so, dass unsere Beziehung tatsächlich stark auf der Kippe stand. Die extreme Phase war zwischen dem ersten Jahr und dem Alter von zweieinhalb. Seit unser Wirbelwind drei Jahre alt ist würde ich sagen, hat sich die Lage sehr entspannt und wir fühlen uns als Familie wieder richtig gut an. Wie so vieles mit Kids, scheint auch das also nur eine Phase gewesen zu sein. Aber ich bin mir sicher, es war nicht die letzte.
Wie ist es bei euch? Kennt ihr auch solche Schwierigkeiten in eurer Beziehung, seit ihr Eltern seid? Schreibt auch gern, wenn ihr mehrere Kinder habt und wie es sich da entwickelt hat. Ich finde den Austausch so wichtig und spannend.
Zum Thema habe ich auch eine Podcast-Folge aufgenommen. Hör hier gerne mal rein:
Richtig starker und ehrlicher Beitrag!
Es tut mir gerade auch einfach gut zu lesen, dass Du davon berichtest, dass es ab 3 Jahren einfacher geworden ist. Das Thema Betreuungszeiten gegeneinander aufrechnen haben wir leider auch immer wieder mal.
Wenn ich ganz ehrlich bin: bei uns hat bereits ein Kind gereicht, um unsere Beziehung nachhaltig zu „erschüttern“. Wir haben uns zwar immer wieder zusammengerafft und noch zwei weitere Kinder bekommen, aber wir waren einfach nicht für diese eine Herausforderung gemacht. Getrennt haben wir uns zwar erst viele Jahre später, doch zufrieden waren wir beide schon lange nicht mehr. Die Trennung brachte aber auch ein wenig Frieden und Ruhe in unser Familienleben… Unser Umgang miteinander als Eltern ist respektvoller geworden und ich bin sehr dankbar dafür.
Hej, danke für deine Offenheit! Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich das Verhältnis zum anderen Elternteil dann wieder respektvoller gestaltet und man sich wieder wertschätzender gegenübertritt. Das ist ja auch wichtig, allein der Kinder wegen. Welches Trennungsmodell habt ihr gewählt? Die Umstellung von Tag und Nacht zusammen verbringen und dann auf einmal eine längere Zeit vom Kind getrent sein stelle ich mir sehr schmerzhaft vor. Die Vorteile der gesteigerten Zeit für sich, die damit einhergeht, kann man sicher erst nach einer langen Zeit wirklich genießen. Alles Gute euch weiterhin!!!