Wäre ich Mehrkindmama mit einem besseren Betreuungsnetz?
Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen. Der Spruch klingt abgedroschen, doch in ihm steckt so viel Wahres. Beziehungsweise müsste es heißen: Es braucht ein Dorf, um unbeschwerter ein Kind großzuziehen.
Die aufmerksamen Leser*innen unter euch werden gemerkt haben, dass zwischen diesem und meinem letzten Blogbeitrag eine Lücke klafft. Wie bei vielen, war ich Ende des Jahres mental überfrachtet. Neben all den Jahresendspurt-Dingen auf der Arbeit und der Weihnachtsplanung (Geschenke kaufen, Aufenthalte bei den Eltern, ect.) hatten wir das Pech, dass unser Kleiner voll auf den Adventskalender abgefahren ist und morgens ab 5 Uhr nicht mehr schlafen wollte, weil er es nicht mehr aushalten konnte, nachzuschauen, was der Weihnachtself ihm in den Kalender gesteckt hat. Well, da war der Kalender wohl zu gut 😉 Jedenfalls hat uns das extrem geschlaucht und für ständigen Schlafmangel gesorgt. Mir war irgendwie alles zu viel und ich habe eine Auszeit gebraucht. Ich habe die Urlaubstage zwischen den Jahren genutzt, um wieder durchzuatmen. Zwischendrin, an Weihnachten, wurde ich dann auch noch krank.
Und da habe ich wieder gemerkt, wie wichtig es ist, ein Dorf um sich zu haben, das bei der Kindererziehung und Kinderbetreuung unterstützt. Und vor allem wurde mir bewusst, dass es uns einfach fehlt. Wir haben zwar vor Ort eine Oma, die in Notfällen mal kurz einspringt, aber nicht regelmäßig, zuverlässig auf unseren Kleinen aufpasst.
Es braucht ein Dorf, um ein Kind groß zu ziehen
Es gibt nicht umsonst das nigerianische Sprichwort „Es braucht ein Dorf, um ein Kind groß zu ziehen“. Das ist wohl so, wenn man seine eigenen Ressourcen schonen will und selbst nicht auf der Strecke bleiben möchte. Das führte mich im Weiteren zu der Frage: Hat das fehlende Betreuungsnetz vielleicht auch Einfluss auf unseren Ein-Kind-Wunsch gehabt? Wenn wir mehr Entlastung, wenn wir ein größeres Netz an Betreuung hier hätten, wären wir dann bereiter für ein zweites Kind?
An mir und meinem Partner hängt alles. Von morgens 6 Uhr, bis abends 20:30 Uhr, sind wir, abgesehen von der Kindergarten-Zeit alleine zuständig. Und wir haben eine turbo Actionkanone in die Welt gesetzt, die einen wirklich fordert. Sehe ich Omas und Opas, die ihre Enkel im Kindergarten abholen oder Großeltern mit ihren Enkeln auf dem Spielplatz, merke ich, da bin ich ehrlich, Neid in mir aufkommen. Kürzlich waren wir unterwegs und ich beobachtete ein solches Enkel-Großeltern-Gespann. Wie cool ist das denn bitte, wenn die eigenen Eltern einem das Kind den halben bis ganzen Tag abnehmen. Ich erwarte das ja nicht ständig, aber ab und zu, das wäre livechanging!
Gefühlt hat die überwältigende Mehrheit aller bekannten und befreundeten Pärchen um uns herum ein großes, gutes, zuverlässiges Großeltern- und Geschwisternetz vor Ort oder in erreichbarer Nähe. Und wenn ich mir die so anschaue, gönne ich es ihnen zwar, bin gleichzeitig aber auch ein wenig selbstmitleidig, weil das deren Alltag einfach ungemein erleichtert. Die meisten von unseren Bekannten haben auch tatsächlich zwei Kinder und die Betreuungssituation hat in den Überlegungen für ein zweites Kind sicher eine Rolle gespielt. Wahrscheinlich nicht die ausschlaggebende, so ist es bei uns ja auch, aber es fließt in die Rechnung mit ein.
Bei allen anderen unterstützen Oma und Opa
Da ist die eine Kindergartenfreundin, bei der die Schwiegermutter einmal die Woche gute 100 Kilometer weit gefahren kommt und die Kleine im Kindergarten abholt und dann auch den ganzen Nachmittag mit ihr verbringt. Zusätzlich kommen relativ häufig die anderen Großeltern am Wochenende oder sie fahren auch mal zusammen in Urlaub. Da ist Unterstützung pur angesagt. Dazu muss man sagen, die Kleine ist beidseitig das einzige Enkelkind. Vielleicht sind die Großeltern deshalb so verrückt nach ihr, ich weiß es nicht. Jedenfalls haben sie einmal die Woche Unterstützung.
Bei unseren Nachbarn kommt die Oma ebenfalls jede Woche 150 Kilometer weit angereist, holt die Kinder vom Kindergarten ab und bleibt dann auch den Nachmittag. Das finde ich total krass und unvorstellbar bei uns. Meine Eltern wohnen 220 Kilometer weit weg und der Gedanke scheint irgendwie total abwegig. Ich würde das auch gar nicht verlangen. So eine weite Strecke regelmäßig einmal die Woche, finde ich wirklich viel. Trotzdem mega cool, dass das bei den Nachbarn so funktioniert. Was ich daran auch schön finde ist, dass meine Nachbarin ihre Mutter so auch regelmäßig sieht.
Ein gutes Beispiel für zuverlässige Unterstützung ist auch mein Bruder. Sie haben zwei Kinder und das große Glück, dass sie oben bei meiner Schwägerin wohnen. Dort leben ihre Eltern, die haben allerdings sehr viele Enkel und fast schon ein bisschen Enkelstress. Aber trotzdem sind sie da und passen auf die Kinder auf. Nicht regelmäßig, da so viele Enkel, aber sie sind einfach da. Zusätzlich leben zwei ihrer Geschwister in unmittelbarer Nähe.
Auch bei Christine, ihr kennt sie aus dem Interview, kommt jeden Montag die Oma. Ich will und kann hier jetzt nicht all die Beispiele aus meinem Bekanntenkreis aufzählen, aber wenn ich darüber nachdenke und sie im Kopf durchgehe, fällt auf, dass so gut wie alle eine regelmäßige Unterstützung in Form der Oma haben. Auffallend, es ist fast immer die Oma, nicht der Opa. Wobei ich auch da Fälle kenne, bei meiner Kollegin zum Beispiel kommt jeden Freitag der Opa und lässt sich das auch nicht nehmen.
Wo ich hinschaue, einfach ein riesen Betreuungsnetz. Gut für die einen, ungerecht für die anderen. So gern man Zeit mit seinem Kind verbringt, fehlt die Zeit zum Durchatmen. Das haben wir Ende des Jahres wieder voll gespürt. Neben Adventskalender-Aufstehzeit und Krankheit waren nämlich auch die Erzieherinnen unserer Gruppe krank. Und welche Gruppe wurde für eine Woche komplett geschlossen? Richtig, unsere! Anstatt die Kinder umzuverteilen und gruppenübergreifend zu erfragen, wer den Platz nicht unbedingt benötigt, wurde eine Gruppe komplett dicht gemacht.
Hinzu kommen auch noch die Kita-Schließzeiten, bei uns vom 20. Dezember bis zum 6. Januar. Es summiert sich einfach alles. Da gehen überall Erholungstage drauf. Denn die Überstunden oder Urlaubstage, die wir als Eltern zur Betreuung abbauen stehen dann nicht mehr zur Verfügung, um selber mal einen Vormittag, während der Kleine im Kindergarten ist, durchzuatmen. Wenn Großeltern da sind, können die unterstützen und einen Teil davon covern.
Wenn beide Großeltern aufpassen
Zwischen den Jahren waren wir mit dem Kleinen im Museum, um genau zu sein im Senckenberg Museum. Kann ich nur empfehlen, wenn ihr im Rhein-Main-Gebiet wohnt, vor allem, sollten eure Kids gerade in der Dino-Phase sein. Das war ein super cooler Familienausflug und hat wirklich Spaß gemacht. Dort habe ich einige Großeltern mit ihren Enkeln gesehen, die den Eltern zwischen den Jahren offensichtlich mal die Kinder abgenommen haben. Die haben einfach mal das Kind für einen halben Tag, vielleicht sogar einen ganzen oder sogar das ganze Wochenende genommen, damit die Eltern Paarzeit haben oder Sachen vernünftig erledigen können. Das ist bei uns undenkbar.
Ich finde es immer so wundervoll, wenn die Großeltern wirklich als Paar betreuen. Wenn ich so Bilder sehe mit glücklicher Oma und glücklichem Opa, die auf die Enkel aufpassen, finde ich das großartig. Input von Oma und Opa ist super wertvoll. Leider ein seltener Anblick.
Zurück in die Heimat für besseren Betreuungssupport?
Manchmal wünsche ich mir, dass ich einfach noch in der Heimat wohnen würde. Da ist meine Mama, die echt noch fit ist, die macht auch immer richtig Action mit ihrem Enkel und er liebt sie. Dann ist da mein Cousin, der zwei Kinder hat, meine Tante Ute, die kennt ihr, falls ihr das Interview gehört habt, sie ist auch eine super Oma und würde sicher auch mal auf unseren Kleinen aufpassen. Mein kleiner Bruder wäre mit seiner Frau vor Ort und meine Oma, die Uroma vom Kleinen. Sie kann zwar natürlich nicht allein auf ihn aufpassen, aber zu ihr könnten wir, um einfach mal einen schönen easy Nachmittag mit ihr und in ihrem schönen Garten zu verbringen. Das hilft ja manchmal auch, einfach mal in einem anderen Setting zu sein und nicht der Hauptfokus fürs Kind zu sein. Bei all dem denke ich, es wäre schon cool, wenn ich in der Heimat wohnen würde. Aber irgendwie befindet man sich Ende 30 in einer Phase seines Lebens, wo man an dem aktuellen Ort gesettelt ist und auch das Kind nicht aus seinem Umfeld reißen möchte. Arbeitsmäßig würde es mit den gelockerten Homeoffice-Regeln bei den meisten Arbeitgebern wahrscheinlich sogar klappen.
Studie zum Thema Kinderbetreuung der Großeltern
Zu der Thematik Betreuungsunterstützung durch die Großeltern gibt es Studien. Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung und des DIV in Berlin aus 2022 zeigt, dass circa dreißig Prozent der unter Dreijährigen regelmäßig von Großeltern betreut werden. Zwischen drei und sechs Jahren und im Grundschulalter sind es 20 Prozent. Das klingt jetzt erstmal wenig, aber es geht eben um die Regelmäßigkeit. Besonders bemerkenswert finde, ist, dass diese im Durchschnitt 8 Stunden die Woche regelmäßig betreuen. Davon sind wir wirklich weit entfernt. Ich würde sagen, dass wir im Schnitt auf vielleicht eine Stunde pro Woche kommen. Und das fühlt sich gerade schon hoch gegriffen an. Was die Studie auch noch sagt, ist, dass wenn Großeltern unterstützen, die Eltern zufriedener mit der Kinderbetreuung und ihrer Freizeit sind. Das ist natürlich ein Nobrainer, dafür hätte ich jetzt keine Studie gebraucht.
Wer nicht fragt, bekommt auch kein JA
Ich weiß auch nicht, vielleicht müssen wir als Eltern unseren Bedarf auch einfach deutlicher kommunizieren. Gleichzeitig scheint es bei den anderen in unserem Umfeld so selbstverständlich. Gefühlt müssen die gar nicht fragen. Die Großeltern machen das einfach. Das ist ein intrinsischer Wunsch von den Großeltern. Die haben einfach so Bock auf ihre Enkelkinder und gehen voll in der Rolle auf, das ist echt cool. Die Eltern müssen da kein schlechtes Gewissen haben, dass sie irgendwie zu viel einfordern oder belasten.
Das Modell der Leihoma
Eine Freundin von mir hatte sich mal nach Leihgroßeltern umgeschaut, weil sie auch keine Großeltern vor Ort hatten. Das fand ich damals etwas befremdlich bzw. konnte es mir für uns nicht vorstellen. Da sucht man sich Leute im Rentenalter, die Lust haben, regelmäßig das Kind zu betreuen. Idealerweise in einem freundschaftlichen Verhältnis. Das ist ein Konzept, das auf krasses Vertrauen beruht. Für mich würde das nicht in Frage kommen. Wobei, wenn ich so drüber nachdenke haben wir mit unseren direkten Nachbarn ein sehr enges Verhältnis und der Kleine war auch schon mal mit ihnen Eis essen. Das könnte ich mir sehr gut vorstellen auszubauen. Aber man will da auch nicht zur Last fallen. Habt ihr Erfahrungen mit Leihomas und -opas? Könnt ihr gerne mal hier berichten.
Generell ist jede Unterstützung gut. Wie nehmt ihr das wahr? Und wie ist die Situation bei euch? Könnt ihr auf ein gutes Netz zurückgreifen oder seid ihr eher in unserer Situation, dass es echt schwierig ist? Und hat die Betreuungssituation Einfluss auf eure Kinderplanung? Das fände ich spannend zu erfahren.